IM Kalmar Schweden

LTC-Ausfahrt 01. Mai 2019, ich sitze, unweit von Donnerskirchen, umgeben von einigen Vereinskollegen ramponiert auf der Straße. Der erste Gedanke: Eh nicht so schlimm, da ich alles bewegen kann. Am Abend im KH Hainburg dann die Ernüchterung – Schulterblattbruch. Ein tiefes schwarzes Loch tut sich auf. Am nächsten Tag beschließe ich: Das Schicksal kann mich mal!

Nach einigen Recherchen und Erkundigungen und dem Ignorieren der ersten ärztlichen Meinung (… Danke Simone für deine Unterstützung!) komme ich zur Überzeugung, dass es sich ausgehen kann.

Mein Ziel für diese Saison war die Langdistanz in Schweden mit sub 10 zu finishen. Mein 2. Ziel, welches ich allerdings nie artikuliert habe, nicht einmal zu Renate, es war nur in meinen Gedanken: Hawaii. Aufgrund der Ergebnisse der Vorjahre in Kalmar war es eigentlich logisch, dass, wenn das Eine funktioniert, kommt das Andere fast von selbst. Soweit die Theorie!

Immer wenn es im Training hart wurde, bei einem 30er Lauf, wenn auf den letzten Kilometern die Pace noch einmal zu steigern war, wenn bei anaeroben Radintervallen 3‘ endlos lang werden oder ich den Arm bei den ersten Schwimmversuchen nicht aus dem Wasser gebracht habe, dann ist wie von selbst das Motto vom Jan Frodeno durch den Kopf geschossen: „Burning For Kona“

Das Rennen:

Anreise mit Familie im Wohnmobil, Treffen mit Sandra & Rainer und Michelle & Chris in Kalmar an der Südostküste Schwedens. Hier ist es ähnlich wie in Roth bei der Challenge, hier lebt die Bevölkerung den Ironman. Am Mittwoch findet der Mini Tri im Rahmen des IM statt: 1800 Starter!! bei einem Sprint. Sandra u. Renate nehmen teil und sind total fasziniert. Am Freitag 1200 Kinder bei den IronKids! Am Samstag dann das Rennen mit dem Herren Rainer und mir. 3008 Starter!

Das Wetter ist, bis auf den immer stärker werdenden Wind optimal  – ein Tag für Rekorde, wobei …. der Schuss kann auch ganz schnell nach hinten losgehen.

Das Schwimmen findet bei knapp 19° im Baltischen Meer im Bereich des Hafens statt. Der Kurs ist sehr kurzweilig, da es einige Richtungsänderungen gibt und man sich die 3860m schön „portionieren“ kann. Der Salzgehalt ist hier deutlich geringer als anderswo und somit ist auch ein Verschlucker kein Problem.

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Die Schwimmzeit von 1:07:51 ist in Anbetracht der Umstände ok. Ich komme als 49. meiner AK in die WZ.

Am Rad werden die ersten rund 120km auf der Insel Öland, die man über eine 6km lange Brücke erreicht, zurückgelegt. Die Insel ist fast völlig flach und von Windmühlen geprägt. Quasi ein Heimrennen für einen LTCler. Vor allem 2x die Brücke über’s Meer mit Seitenwind sind schon herausfordernd (auf der Brücke macht man übrigens die meisten Höhenmeter am Stück! – insgesamt sind es 750Hm). Dafür gehen mir bei den Rückenwindpassagen die Gänge aus. Die letzten 60km sind dann am Festland eher winkelig und fallweise gibt es sogar kurze Rampen, wo man zur Entspannung im Wiegetritt endlich einmal aus der Aeroposition herauskommt.

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Der Radsplit beträgt letztendlich 4:54:51 (Tag der Rekorde!). Mittlerweile bin ich 13. In meiner AK.

Der Marathon besteht aus 3 Runden + ca. 2km und hat ca. 120Hm. Dabei läuft man 4x durch die Innenstadt, was zwar unglaublich motivierend ist aufgrund der Vielzahl an Zusehern, aber auch sehr unangenehm, weil fast alles auf Kopfsteinpflaster zu laufen ist.

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Ich fühl mich irrsinnig gut auf den ersten 5km, laufe teilweise einen 4:30 Schnitt. Obwohl ich immer wieder auf die Uhr schaue und mir laut sage, dass ich schee deppert bin, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht langsamer laufen. Ich stell‘ mir den Reinhard, meinen Trainer vor, wie er zu Hause vor dem Tracker sitzt und die Hände zusammenschlägt und zu Doris sagt: „Was macht‘ er, der Bua?“ Ich muss mal und das ist der ideale Zeitpunkt, um das Tempo dann doch auf die vorschriftsmäßige Geschwindigkeit von 4:55 – 5:00 einzupendeln. Die erste Runde vergeht gut, die Verpflegung passt, es zwickt nichts, der Fanclub ist optimal auf der Strecke aufgeteilt und unterstützt mich großartig. Mitte der 2. Runde, kurz nach dem Halbmarathon bekomme ich die Info von Renate, dass ich auf Platz 8 liege. Ja, ich habe ihr gesagt, dass sie mich informieren soll, aber war das gescheit? Jetzt fängt das Taktieren an. Für sub10 bin ich auf Kurs. Für Kona muss ich wahrscheinlich unter die ersten 5. Soll ich draufdrücken, wenn ja, kann ich das überhaupt noch und wieder wenn ja, wie lange? Riskier ich das Finish? Mit der ganzen Denkerei geht`s in die 3. und letzte Runde. Bei der Special Needs Labestelle muss ich kurz stehen bleiben, um die restlichen Gels einzustecken. Von da an, ab Km 32 wird’s knall hart (na net!). Die vorderen Oberschenkel beginnen leicht zu krampfen. Wenn ich jetzt stehen bleiben muss, ist es vorbei. Die Pace wird langsamer – ich glaub‘ ich hab’s vergeigt in der ersten Runde – „Sautrottel!“ schrei ich raus (und erschreck damit eine fesche Schwedin). Dann warten Renate und Chris auf mich und sagen mir, dass ich mittlerweile 5. bin. Fast ist es mir wurscht – eigentlich will ich mich nur mehr hinlegen. Km 34 – das Gehirn setzt kurzfristig aus, denn ich nehme eine Salztablette und trinke kurz darauf Cola – die chemische Reaktion spielt sich 300m später irgendwo im Darm ab. Gottseidank sind die Bauchkrämpfe recht schnell Geschichte. Km 37, wieder sind Renate und Chris am Straßenrand und schreien mich an: 4. Platz! Den Rest hör ich nicht mehr. Kurz davor bin ich von einem Glatzkopf überholt worden. Er ist noch in Sichtweite. Ich glaube, der könnt in meiner AK sein. „Nein, du wirst mir diesen Platz nicht mehr nehmen!“ Ich nehme alle meine Kraft, die letzte Energie, alles was irgendwie noch da ist und versuche die Pace zu drücken. Ein letztes Mal durch das Stadion von Kalmar laufen, das letzte Rundenband abholen, einmal noch in die Gassen der Innenstadt, nur jetzt kein Fehltritt auf dem Kopfsteinpflaster. 500m vor dem Ziel hab ich ihn, den Glatzkopf – ich renn‘ so schnell an dem vorbei – der darf nicht einmal einen Gedanken daran haben mit mir mitzulaufen – Eingang Zielkanal – ich erkenne den Langen (Chris) in den Menschenmassen – Abklatschen und Zieleinlauf genießen geht heute nicht  – die Emotionen müssen trotzdem raus (siehe Video).

Marathon: 3:37:34

Gesamt: 9:45:43  161.Platz Gesamt   4.Platz AK50

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In den letzten Jahren haben hier in Kalmar fast alle, die unter 10 Stunden geblieben sind, den Slot für die WM bekommen. Heute sind 12 Männer der AK 50 unter 10 Stunden geblieben (Tag der Rekorde!). Es hat fast immer 4 Slots in meiner AK gegeben. Am Abend werden die Zahlen veröffentlicht: 4 Slots gehen in AK 50-54.

Sicher bin ich mir erst am Sonntag bei der Siegerehrung, als ich auf die Bühne gerufen werde.

Ironman World Championship Kailua Kona, Hawaii 2019 – Ich komme!

P.S. Der Glatzkopf war gar nicht in meiner AK!

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