IM Austria Klagenfurt – Sonntag 3. Juli 2022
Wer meine Ironman Berichte kennt, der weiß, dass sie meist etwas länger sind. Also gönnt euch eine Pause zum Lesen.
Vor genau 11 Monaten habe ich meinem Orthopäden die MRT Bilder von meinem verletzten rechten Knie gezeigt, hab ihm gesagt, dass ich eigentlich in drei Wochen beim IM Vichy starten sollte – und da das unmöglich ist, habe ich ihm auch gleich gesagt, dass ich unbedingt wieder Ironman Rennen bestreiten möchte. Den Rest kennt ihr: OP Anfang September, zum Glück nur Meniskus geglättet und Aufbau gleich ab Tag 2.
Die Angst war groß, nicht mehr so wie früher laufen zu können, schon gar nicht in den Umfängen, wie es sich für ein Langdistanztraining gehört. Aber ich habe in den letzten Jahren durch andere Verletzungen bzw. „Abnützungserscheinungen“ gelernt. Und ich habe auch gelernt, dass vieles WIEDER möglich ist, was im Augenblick wenig Hoffnung gibt.
Aber alles der Reihe nach. Wolfgang und ich starten erstmals gemeinsam bei einer Langdistanz. Ich muss sagen, die letzten Tage davor (auch den Samstag) haben wir beide gut hinbekommen. Haben ja doch schon etwas Routine darin und gehen uns da nicht wirklich „auf die Nerven“. Alle Triathlon-Pärchen unter euch werden des verstehen.
Diesmal ist auch Michi Zmugg dabei. Er macht seinen ersten Ironman, seine erste Langdistanz. Dass ich Michi und Wolfgang im Training betreue – und ich selbst nach langem wieder am Start stehe – macht die Sache nicht einfacher. Aber wer will es schon einfach haben ?? Durch Michi haben wir auch seine Fan-Gruppe dabei – DAS macht die Sache einfacher – zumindest
immer wieder für wenige Minuten.
Es ist eine heiße Rennwoche. Schwimmen ohne Neopren ist garantiert. Wieder mal – so wie schon 2019 – nur diesmal ohne Weltuntergang-Unwetter am Rad. Es soll den ganzen Tag über heiß und sonnig bleiben.
6:40 Uhr Start der Amateure, wie immer als Rolling Start. Wolfgang ist kurz vor 7 Uhr im Wasser, ich muss mich noch bis ca. 7:40 Uhr gedulden. Ich habe meine Aufregung komplett unter Kontrolle, ganz anders als beim IM70.3 Mallorca Anfang Mai. Ich beginne „fast entspannt“ mit dem Schwimmen.
Freu mich drauf !! Lange Züge, konzentriert bleiben. Am Retourweg (also fast ab der Hälfte) geht’s im Blindflug (gegen die Sonne) zurück. Zur Erklärung: Als langsame Schwimmerin startet man im hintern Block und kann daher die Vorteile des Wasserschatten durch den Vordermann nur selten nützen. Da das Feld auch sehr breit ist, gibt es bis auf die ersten paar Hundert Meter viele Lücken vor dir. Ist quasi wie im Training – jetzt halt mit Gegenlicht.
Meine Schwimmzeit bestätigt das. Ich will’s hier gar nicht erwähnen. Abhaken (weiterhin dran arbeiten) und weiter geht’s. Am Weg in T1 (Wechselzone 1) wird schon das erste Gel gefuttert. Habe ich nach dieser Schwimmzeit auch nötig. Doch etwas frustriert steig ich auf’s Rad. Die Strecke kenne ich aus 2019, sie ist schön, abwechslungsreich und hat ein paar knackige Anstiege – und damit meine ich nicht allein den Rupertiberg. Jetzt steht „essen“ nach Plan (also meine Gelmischung) und bei jeder Labe mit Wasser auftanken am Programm. Durch meine Leistungsdiagnostik kenne ich (kennen wir drei) genau unseren Kohlenhydrate Verbrauch bei der gesetzten Intensität und darum kann ich gezielt „meine“ Menge zuführen. Vom Wasser (und auch vom Salz) darf’s dann heute ein wenig mehr sein. Es hat (lt. späterer Info) 33 Grad im Schatten – nur Schatten gibt es am Rad keinen. Mit zunehmender Dauer wird die Hitze immer stärker spürbar. Quasi wie ein Henderl am Grill. Nach
5-7h ist es dann durch.
Ab Km 90 (und einer Radzeit von 3:15h schon länger als erwartet) herrscht an den Labe Stationen zunehmend Chaos. Die Wasserflaschen (immer zu Beginn und am Ende der Labe) gehen aus. Am Ende der Station „stehen“ viele Athleten und warten auf Wasser. Also auch stehenbleiben und einmal auffüllen und einmal über den Körper schütten. Das Chaos setzt sich auch an manchen anderen Stationen fort. Nach dem Anstieg in Egg am Faaker See muss ich wieder bei der Labe stehen.
Kühlen (also drüber schütten) ist heute wichtiger als die Sekundenjagd. Die Zeit verstreicht (die Km auch), aber die Motivation stärker zu fahren schwindet. Es ist die Hitze. Sie ist unerträglich. Ich denke an 2019 zurück. Damals habe ich nach dem Unwetter gefroren am Rad, die Hände waren zu steif, um nach der Flasche zu greifen. Energieaufnahme war damals schwer möglich. Heute wieder ein anderes Extrem. Aber es gibt keine Ausreden. Eine Langdistanz hat ihre eigenen Gesetze. Wer mit dem Leiden am besten (am schnellsten) zurechtkommt, der kommt auch ins Ziel.
Nach 6:45h erreiche ich T2. Diese Radzeit kann ich nur akzeptieren, freuen kann ich mich nicht darüber. Es ist wie es ist. Jetzt freu ich mich aber auf’s Laufen !! Viele bekannte Gesichter an der Strecke. Ich brauch euch heute so dringend. WIR brauchen euch heute !!
Es läuft gut Meine Pace ist fast zu gut für diese Hitze, aber das wird sich eh noch ändern. Immer auf den Schritt achten, immer schon abdrücken, Frequenz halten, nur nicht stolpern (tja, das ist schon eine Herausforderung nach vielen Km !!) Ich freu mich riesig, dass ich hier sein darf – ohne Probleme, abgesehen von den heutigen Bedingungen, aber das ist ja kein „Problem“, das ist nur ein extremer Zustand.
Ich verpflege mich nach Plan und habe keine Darmprobleme, auch keine Einbrüche. An den Laben (alle 2 bis 2,5km) wird gegangen und getrunken und gekühlt. Das hat heute Priorität. Nur diesen Plan einhalten. Ich sehe Wolfgang. Er leidet auch, aber er läuft. Ich sehe Michi – gerade gehend. Ich kann ihn verstehen. „Komm Michi, weiter geht’s“. Ich treffe Karin, die auf Michi wartet. Sie kann uns mega gut anfeuern Michi braucht sie ab jetzt.
Ab Km 18 wird es zunehmend schwieriger die Pace zu halten bzw. wird an den Laben nun auch gestanden, damit noch mehr Wasser über den Körper geschüttet werden kann und getrunken werden kann. Binnen 5 Sekunden nach der Labe ist das „angenehme“ Gefühl aber wieder vorbei. Weiterlaufen. Mein Plan heißt nun: „Durchlaufen und nur an den Laben gehen und stehen“.
Wie soll ich es beschreiben? Der Körper kämpft mit sich selbst. Die Pace wird etwas langsamer, aber es ist noch immer deutlich schneller als bei anderen. Das motiviert. Die Herzfrequenz sinkt, mehr ist aber nicht mehr möglich. Hauptsache es geht weiter – laufend !! Trainerkollegen am Streckenrand sprechen mir gut zu. Die Fan-Gruppe von Michi feuert uns an. Danke euch dafür !! Das tut so gut !! Fremde Zuschauer rufen meinen Namen. All das gibt Kraft für die nächsten Meter.
Selbst Wolfgang steht schon am Streckenrand. Er hat schon gefinisht – bin ich froh (natürlich auch als Trainer). „Ich komme heute ins Ziel und werde happy sein“ – alle anderen rund um mich müssen das auch erst mal schaffen.
Der letzte Km – wie immer – ein „Traum“. Du fliegst quasi Richtung Zielgelände. Im Zielkanal kannst du Gas geben. Abklatschen mit Freunden. Der Rote Teppich. Die Stimmung. Die Lichter. Emotionen.
Nur nicht weinen. Klagenfurt ist was ganz Besonderes.
Mädel – du hast es wieder mal geschafft Ich bin sooo happy !!
Keine Probleme, keine Schmerzen. Durchgelaufen!! Im Zielbereich gleich wieder trinken, dabei kann ich nicht ruhig stehen, muss immer hin und her steigen, muss mich anhalten. Mein Körper vibriert. Quasi wie kochendes Wasser, das steht auch nicht still. Ich treffe Wolfang. Alles ist gut. Bei mir und bei ihm. Ich hab’s geschafft. Mein Kopf hat sich durchgesetzt. Ich habe alles Mögliche aus mir herausgeholt.
Das ist Ironman. Das ist Leiden. Das ist aber auch Stolz, das sind Emotionen, die dich antreiben, die dir Kraft geben – für den nächsten Ironman !! …. Auch wenn du dir das Stunden davor nicht vorstellen kannst, dass du bald wieder so was machst.
Ergebnis:
13:16h AK50 15. (von 74)
Next Stopp = IM Vichy, France am 21. August 2022