IM Austria – Sonntag 7. Juli 2019
Mein 4. Ironman, zum 3. Mal in Klagenfurt. Aber nichts bleibt beim Alten bzw. wie gewohnt, alles neu, nicht nur die Radstrecke. Aber alles der Reihe nach.
Anmerkung: Du brauchst ein paar Minuten Zeit zum Lesen – aber ich glaub, die lohnen sich 😊
Eine Hitzewelle vor dem Ironman-Wochenende sorgt dafür (wie schon vor 2 Jahren bei meinem letzten Start hier), dass die Seetemperatur steigt, diesmal sogar auf über 26 Grad. Spätestens beim letzten Schwimmtraining am Samstagmorgen ist mir klar, am Sonntag habe ich meine „OW-3,8km-ohne Neo-Premiere“. Naja, diese Schwimmzeit kann ich dann vergessen, aber ich sehe es als Vorbereitung für eine „irgendwann-mal-mögliche-Teilnahme-auf-Hawaii“ 😊 Man muss sich Ziele setzen bzw. ich red‘ mir immer alles schön, auch wenn das Schwimmen auf der Distanz dann doch recht anstrengend werden wird, da ich ja nur mit meinen Armen arbeite (aber die brauche ich dann eh nicht mehr ….. oder?).
Wie vermutet etwas länger als gewohnt – nein leider noch länger – egal, 4km (die Orientierung war in den letzten Jahren besser, da die aufgehende Sonne in den Vorjahren kein Störfaktor war) stehen auf meiner Uhr mit 1:38h ☹ …. Abhaken, weiter geht’s!
Schnell durch die Wechselzone, hopp auf’s Rad (perfekter Platz durch den AWA-Status gleich wieder vorne bei den Pro’s) und ab geht’s auf die 1. und gleichzeitig neue Runde in den Norden. Es ist eine schöne Strecke mit einigen Hot-Spots. Kann was! Ist zu empfehlen! Nur mein Darm zwickt ein wenig, also nicht zu viele Kohlenhydrate auf einmal schlucken, sondern schön bei 20 Minuten Intervallen bleiben. Die Strecke ist recht wellig, d.h. andrücken was geht bergauf und dann dran bleiben bergab. Voll meins! Nach 90km bin ich bei 3h. Wow! Perfekt. Jetzt noch die alte Runde mit knapp über 3h fahren und dann beim Marathon das Schwimmdefizit aufholen. Alles ganz easy – oder? Hab ja dafür trainiert. Diesmal bin ich auch mehr und länger gelaufen. Ich freu‘ mich richtig drauf!
Auf der 2.Runde ist das Feld schon sehr aufgelockert. Damen sehe ich gar keine mehr. Und die Sonne … ja die verschwindet auch. Stattdessen sehe ich dunkle Wolken. Überall. Besonders dort, wo wir hinfahren. Wird schon gutgehen. Regen ist mir egal, bin ich halt nass und fahr ein bissi vorsichtiger bergab. Ehrlich gesagt – als es dann immer finsterer wird und der Regen einsetzt – hab ich den da oben angefleht, dass das kein Gewitter wird. Nur der war wahrscheinlich grad mit dem Hotspot Klagenfurt beschäftigt, dass es dort nicht so extrem zugeht wie bei uns.
Zwischen St.Peter/Srajach/Mühlbach und 2. Durchfahrt Rosegg beginnt es stark zu regnen. Ich kenne die Strecke und weiß, wo ich meine Bremsen brauche. Rosegg hinein, bergab und danach starke Rechtskurve. Die Bremsen greifen beim 5. Anlauf – noch rechtzeitig – doch jetzt fährt böiger Wind von rechts hinein und lässt mich kaum nach rechts lenken. Vor mir Gegenverkehrsbereich – noch Radfahrer auf der Strecke, die in Richtung Faaker See fahren. Im letzten Moment kratz ich die Kurve. Ich schick ein großes Danke nach oben. Es schüttet in Schaffeln. Es ist finster. Alle Leute weg – bis auf ein paar Radfahrer. Nur schnell weiter. Über die Brücke – da geht’s dann – normalerweise – jetzt muss es auch gehen, denn ich will weiter – weg von hier – also normalerweise sehr flott dahin. Volle Kanne über die Brücke – Gegenverkehrsbereich – wieder böiger Seitenwind – Augen zu und Vollgas drüber. Sehen tu ich eh kaum mehr was. Hinauf nach Selpritsch, ist normalerweise etwas zach, heute nicht, ich fliege hinauf. Hagel setzt ein, überall Blitze. Was soll ich machen? In der Bushaltestelle stehen schon drei Radfahrer. Die Marshalls mit ihren Motorrädern haben sich auch wo untergestellt. Was mach ich? Hinein nach Selpritsch. Hier geht es lässig bergab. Kann ich jetzt vergessen. Im Schneckentempo hinunter, denn unten ist der Kreisverkehr, wo ich rechts gleich raus muss. Den pack ich nicht, wenn ich „normal“ fahre. Jetzt wären Scheibenbremsen ein Hammer. Aber egal was ich bremse bzw. bergauf trete, was nur geht, die Blitze sind noch immer über mir. Starkregen, kleine Muren entlang der Straße, es ist finster, auch wenn ich mein angelaufenes Visier zur Seite schiebe. Nur vereinzelt Radfahrer an der Strecke. Ich hab Angst. Soll ich weiterfahren? Soll ich mich wo drunter stellen? Es ist kalt, sehr kalt. Wenn ich mich drunter stelle, wird mir noch kälter. Worauf soll ich warten? Dass das Unwetter aufhört? Oder wird das Rennen offiziell abgebrochen? Nein, ich will ins Ziel kommen. Ich will weiter machen – ich muss weiter machen – ich hab keine Option – hier holt mich keiner ab …. nicht so rasch. Ich fahre weiter … im Gewitter. Wasser steht auf den Straßen. Mir ist kalt. Ich kann meine Finger nicht mehr bewegen, kann schwer schalten und noch schwerer meine Gelflasche von hinten herausnehmen. Ich muss aber trinken, auch wenn es ar…kalt ist.
Zähneklappern setzt ein, ich hechle dahin, will das abstellen, aber mein Körper ist schon im Notstand. Ich will heim, mir ist nicht gut. Ich heule vor Verzweiflung – Zähneklappern – frösteln – bergauf treten (ich war sicher noch nie so schnell am Rupertiberg oben) und bergab langsam und kontrolliert fahren. Kein Speed möglich. Ich sitz steif am Rad, am Außenlenker. Die Kilometer vergehen, die Zeit leider noch viel mehr. Egal, ich will nur heim.
Nach 6:30h bin ich an der Linie zur Wechselzone (mindestens 25 Minuten verloren). Ich steige ab und heule vor Erleichterung. Ich hab’s geschafft !!! Ich lauf hinein, stell mein Rad ab, kein Schmerzen im Rücken oder sonst wo, bin ja durchgefroren. Heule vor mich hin, ab ins Klo, schwitzen war die letzten 2h nicht mehr möglich, also muss das Wasser anders raus. Beim Laufschuh-Anziehen klappert mein ganzer Körper. Nichts geht mehr schnell. Ich springe am Platz, Arme kreisen – und ab geht’s nach draußen auf die Laufstrecke. Herrlich! Ich kann endlich laufen. Gleich wird mir warm werden. Ich heule vor Freude – vor Erleichterung, den Radteil unter diesen Umständen geschafft zu haben. Jetzt kann kommen, was will, es kann nicht mehr schlimmer werden. Ich bin sooo glücklich und strahle – wie die Sonne, die gerade herauskommt.
Der Halbmarathon läuft perfekt. Ich halte mich an meine HF, denn ich weiß, dass sich die Strapazen am Rad bald zeigen werden. 1,5h Zähneklappern bedeutet, dass der Körper mehr Kohlenhydrate für die Grundversorgung braucht. Nebenbei habe ich dadurch zu wenig aufgenommen. Auch an Wasser war es zu wenig. Aber ich weiß auch, dass mein Fettstoffwechsel bestens trainiert ist und dass ich darum ewig laufen kann, wenn auch langsamer. In der 2. Hälfte purzelt meine HF stetig bergab. Meine Speicher gehen dem Ende zu, so viel könnte ich gar nicht mehr aufnehmen, ohne dass ich dann gleich Durchfall bekomme. Ich muss das akzeptieren. Die Extrembelastung am Rad zeigt ihre Folgen. Aber ehrlich gesagt ist mir das mittlerweile egal. Ich könnte mich heute beim Laufen gar nicht mehr zu einer schnelleren Pace quälen. Mein Rennen hab ich schon gewonnen, denn ich bin am Rad sitzen geblieben und hab durchgehalten. Jetzt mach ich fertig, was ich begonnen habe.
Einmal noch nach Klagenfurt hinein – wie langsam kann ich eigentlich laufen? – egal, andere laufen schneller und gehen danach wieder. Ich kenn ja meine Gründe. Trotzdem brav trinken und Gel schlucken, wie es sich gehört.
Noch immer stehen viele bekannte Gesichter an der Strecke, die mich anfeuern. Die Stimmung hier ist ein Hammer. Ich liebe es, hier zu laufen!
Das (neue) Ziel ist greifbar – Mädel, jetzt hast du es endlich geschafft – hinein in den Zielkanal, wie immer lege ich automatisch einen Zielsprint ein, das kann ich nicht steuern. Die Rampe hinauf – und geschafft!!!
In der nächsten Sekunde schießen Schmerzen in meine rechte Ferse, ich muss mich anhalten und mal durchatmen. Die Stiegen hinunter und rasch hinaus zu meinen Lieben. Da sind sie auch schon. Ich klammere mich an Wolfgang und …. explodiere. Ich heule, schluchze, bekomm kaum Luft. Die Spannung ist draußen. Und wieder mal (wie schon so oft erst nach dem Ziel spürbar) bin ich heute weit über meine Grenzen gegangen. Nicht körperlich, wie man sich das vielleicht bei einem Ironman vorstellt – sondern mental. Ich habe meine Grenzen verschoben. Ich hab mit meiner Angst gekämpft. Ich hab meinen Körper einer Extrembelastung ausgesetzt, die 1,5-2h gedauert hat. Währenddessen und danach musste er körperlich auch noch einiges leisten. Aber jetzt ist es vorbei – und alle Emotionen, die sich an diesem Tag aufgestaut haben, sprudeln heraus. Alle Höhen und Tiefen. Ich bin sooo glücklich!!! Pfeif auf die Zeit, die ist mir heute egal. Ich hab’s durchgezogen. Hab akzeptiert, was Sache ist, hab mich darauf angepasst, hab mein Ziel neu definiert ….. und hab meine persönlichen Grenzen erkannt und nach oben verschoben. Alles ist möglich, man muss es nur wollen – darum liebe ich diesen Sport – die Langdistanz, denn es ist mehr als nur Schwimmen, Radfahren und a bissi Laufen 😊
An alle, die mich danach gesehen haben, es geht mir gut. Meine rechte Ferse schmerzt immer nach einem Wettkampf oder einem harten Lauftraining. Am Tag danach kann ich wieder wie immer gehen. Nur mein Kopf braucht etwas Erholung. Und die nehme ich mir gerade – hier am Faaker See!
Ein erfreuliches Ende hat es doch gegeben. Ich bin bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften über die Langdistanz in meiner Altersklasse – W45 Dritte geworden. Wir waren nur bei der Siegerehrung, weil Robert in seiner Altersklasse den Meister gemacht hat. Ich war überrascht, hab am Podest etwas gezittert und mich riesig gefreut.
Man muss nur dranbleiben! Und manchmal muss ich mir gar nichts mehr „schönreden“ 😊
Meine Zeit: 12:39:45
16. in W45
136. Dame
1551. Gesamt