Vor ca. 4 Monaten infizierte mich ein Arbeitskollege mit dem Gedanken einmal im Winter den Neusiedler See zu Fuß zu umrunden. Ich sagte ihm, dass das weder meine Jahreszeit, noch meine Startzeit (4:30 in Oggau), noch meine Distanz (115km) ist…

Aber ich war infiziert….

Nach einer 3,5 monatigen Vorbereitung mit –unter anderem 2x48km laufen-, sehr viel Materialtests unter verschiedensten Bedingungen und Tageszeiten, sehr viel Materialeinkäufen und 650 Trainingskilometern war es am 25.1 um 4:30 in Oggau so weit.

Ausrüstungsmäßig war ich aufgrund mangelnder Erfahrung etwas übervoll ausgestattet:

  • 3 Jacken
  • zum zweimaligen Umziehen: Leibchen, Unterwäsche, Socken, Hauben, Puff
  • Nahrung in Form vom 8 Riegeln, Magnesiumtabletten, Traubenzucker
  • Erste-Hilfe Paket mit Leukoplast, Aludecke, Verbandsmaterial
  • MP3 Player inkl. Ladeeinrichtung für Uhr und MP3 Player + Powerbank
  • 2 Stk. Handwärmer
  • Brille mit Klarsichtgläser (wichtig bei Wind)
  • Am Fuß hatte ich Salomon Speedcross 3 Goretex

Ich hatte Glück, dass alles im meinem Rucksack Platz hatte. Nur den Regenschutz habe ich dann doch im Auto gelassen…

Die Atmosphäre in Oggau war beeindruckend. Ca. 1200 Starter mitten in der Nacht  im Winter in einem kleinen burgenländischen Dorf.

Der Start erfolgte um Punkt 4:30 bei super Wetter mit ca. 0 Grad und Windstille. Nach dem Startschuss, begann ich mit lockerem laufen  mit einer Pace von 6:00 – 6:30. Ich war –aufgrund der Vorhersagen- zu warm angezogen und in Rust war bereits der erste Stopp um die Hard-Shell Jacke auszuziehen. Nur noch mit dem dünnen Windstopper über dem langen Laufleibchen ging es weiter.

Obwohl man im Burgenland läuft, macht man –vor Allem am Beginn- sehr viele Höhenmeter (in Summe zeigte die Uhr +-756 hm). Trotz meiner kleinen Probleme in der hinteren Oberschenkelmuskultur gingen die ersten km relativ locker von der Hand (bzw. Fuß). Es war extrem cool unter so vielen Stirnlampen unterwegs zu sein.  Die Zeit bis zur 2 Labestation (ca. km 32 nach ca. 4 Std) vergingen wie im Flug. Der Sonnenaufgang erhellte nicht nur den Tag „er hob“ auch den Wind.

Ab ca. km 40 glaubte ich einen kleinen Stein in meinem linken Schuh zu spüren. Nach einigen Versuchen diesen zu entfernen, stellte ich fest, dass es kein Stein sondern eine kleine Blase war (nach 40km (!), zwischen den Zehenballen hatte ich noch nie eine Blase). Aufgrund des mittlerweile stürmisch/böigen Windes und der Blasen war an laufen kaum mehr zu denken. In Ungarn versuchte ich verzweifelt mit meinen fast gefrorenen Leukoplast die Blase abzukleben, was misslang, da sich der Kleber vom Träger gelöst hatte. Dann ging es etwas humpelnd weiter bis Apetlon. Ankunft nach ca. 8 Std.

Dort habe ich einmal mit Würstchen gestärkt und aufgewärmt. Mit einem zurechtgeschnittenen Pflaster (Dank an die Wirtin) habe ich die Blase so abgeklebt, dass sie sich nicht mehr weiter füllen konnte.

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Ich muss auch sagen, dass die Verpflegungsstellen, auch für mich als Nachzügler, noch super waren. Die Freiwilligen waren extrem freundlich und hatten immer ein nettes Wort auf den Lippen, trotz der zeitweise unwirtlichen Bedingungen.

Frisch gestärkt ging es weiter mit MP3 Unterstützung Richtung Podersdorf.  Ziel war nun so weit wie möglich zu kommen (von einer Labe zur nächsten, dort etwas regenerieren und danach hoffentlich weiter). Nach 10,5 Stunden war ich dann in Podersdorf. Der Weg dorthin war zeitweise etwas windgeschützter und das Pflaster hielt. Das war wichtig. Nach einem Kaffee, einem kleinen Bier und etwas Obst ging es nach ca. 30 min weiter nach Neusiedl. Ich wollte unbedingt die berühmte „Burgenland Extrem Suppe“ kosten. Was wären die großen Ziele ohne die Kleinen…

Der Weg nach Weiden war landschaftlich der schönste Streckenabschnitt, mitten im Naturschutzgebiet, noch dazu etwas windgeschützt. Mittlerweile sind aus einer Blase vier geworden. Vor Weiden traf ich Ivett (meine Schwimmtrainerin) beim Auslaufen. Sie sagte mir, dass einige LTCler schon in Neusiedl wären. Das war natürlich zusätzlicher Ansporn.

In Neusiedl im Pannoneum angekommen (nach 13 Stunden) fragte ich als erstes nach einem Leukoplast. Von den Schülern wurde mir stattessen der „Blasendoktor“ im Sanitätsraum empfohlen. Ich musste die Schuhe zuerst ausziehen, um die Füße trocknen zu lassen. Daher ging ich barfuß essen. Schon allein die Suppe war es wert bis Neusiedl zu gehen. Weltklasse. Die Auswahl an Verpflegung war genial. Die Freiwilligen (vor allem Schüler) sehr zuvorkommend.  Super.

Die Blasendoktoren verstehen ihr „Handwerk“. Sie versorgten alle meine Blasen mit aller Sorgfalt in mühsamer Kleinarbeit. Vielen Dank nochmals dafür. Ohne diesen Service hätte ich wenig Chancen auf Erfolg gehabt.

Nach ca. einer Stunde ging es frisch gestärkt und medizinisch versorgt zum nächsten Ziel: Purbach = letzte große Labe. Ich hantelte mich von einer Ortschaft zur nächsten (Jois – Winden – Breitenbrunn – Purbach). Endlich konnte ich wieder etwas regenerieren. Mittleiweile schmerzte, zusätzlich zu den Blasen, die rechte Hüfte und das linke Knie. Möglicherweise als Folge des etwas abartigen Gangbildes…

Kurz nach 16:30 kam ich in Purbach an. Als im „Gut Purbach“ ausgerufen wurde, dass der Suttlebus nach Oggau in 5 min abfährt, war ich schon kurz am Überlegen. Aber: No Pain, no Gain… Nach einer ausgezeichneten Suppe und Wasser ging es nach ca. 15 min zum Endspurt Richtung Oggau.

Obwohl ich noch mit ungefähr 4,5km/h unterwegs war und mein Körper im Notprogramm lief, ging es noch ca. 3 Std nach Oggau. An diesen Streckenabschitt kann ich mich nur noch sehr vage erinnern. Ich glaube das war ein Schutzmechanismus ;-). Bei der letzten Versorgungsstation nach dem Industriegebiet in Donnerkirchen genehmigte ich mir noch einen Striezel und ein Red Bull. Jetzt ging es nur noch über die gesperrte Landstresse nach Oggau. Erst hier realisierte ich, dass es sich heute ausgehen könnte…

Der MP3 Player machte ca. 1 km vor Oggau  schlapp (nach ca. 11 Std Dauerbeschallung = sehr brav). Das Handy gab auf, als ich die Ortstafel von Oggau fotografieren wollte. Ich habe es dann noch schnell  an die Powerbank angeschlossen um ein Zielfoto machen zu können. Nach 19:15 kam ich endlich überglücklich im ersehnten Ziel an. Das Handy war für eine „Sofafoto“ trotz Powerbank nicht mehr zu überreden…

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Es war eine sehr gelungen, außergewöhnliche Veranstaltung. Gratulation an alle Teilnehmer aber vor Allem den freiwilligen Helfern und dem Organisationteam die diese extrem umfangreiche Veranstaltung (fast 120km Strecke, 5100 Teilnehmen(!) an 4 Startmöglichkeiten, zig Verpflegungsstellen und Shuttelservice entlang der kompletten Strecke, und das ganze über 40 Stunden lang) absolut professionell abgewickelt haben. Hut ab und besten Dank dafür.

Material-Fazit: Prinzipiell habe ich nicht viel falsch gemacht, außer meine Entscheidung zu den Goretex Schuhen zu greifen, wenn es mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Schneematsch gibt. In diesen Schuhen schwitzte ich dermaßen, dass die Blasen unvermeidbar waren. Man lernt eben nie aus…

Möglicherweise werde ich nächstes Jahr wieder dabei sein. Infiziert eben….

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